Für den zweiten Band der Publikation de-, dis-, ex-. zum Thema „The Anxiety of Interdisciplinarity“ interviewte Alex Coles (AC) den amerikanischen Kunsthistoriker Hal Foster (HF) zur Frage der Interdisziplinarität in den Trauma-Studien.[1] Daraus der folgende Auszug in eigener Übersetzung.
AC: Einige Deiner aufschlussreichsten Einsichten in Bezug auf Interdisziplinarität sind in Deinen Anmerkungen enthalten. Eine Anmerkung zum Kapitel „Der Künstler als Ethnograph“ in Deinem Buch „Die Rückkehr des Realen“[2] beispielsweise lautet:
„(Interdisziplinärer) Austausch ist keine triviale Sache in einer Zeit, in der Einschreibungen genau unter die Lupe genommen werden und in der einige Administratoren für eine Rückkehr zu den alten Disziplinen eintreten, während andere interdisziplinäre Projekte als kosteneffektive Programme wiedereinführen wollen. Im Übrigen schien dieser Austausch nach dem Gebrauchtwagenprinzip bezogen auf die Diskurse von statten gegangen zu sein: nachdem ein Paradigma in einer Disziplin ausgedient hat, handelt diese damit und überträgt es auf andere.“
Siehst Du das Metier des Kunstkritikers als etwas zwingend Interdisziplinäres an? Könntest Du das Zitat etwas ausführlicher erläutern?
HF: Der Status der Interdisziplinarität hat sich im letzten Jahrzehnt verändert. Obwohl ich dem Prinzip verpflichtet bleibe, ist es offensichtlich mit Problemen behaftet. Noch vor zwei Jahrzehnten wurden Disziplinen von strikten Konventionen geleitet: überall Disziplinen-Polizei. Das trifft heute nicht mehr zu. Heute sind viele Arbeiten, die sich als interdisziplinär präsentieren, meiner Ansicht nach nicht-disziplinär. Um interdisziplinär zu sein, muss man zunächst disziplinär, d.h. in einer, vorzugsweise in zwei Disziplinen verankert sein; man muss die Historizität der einschlägigen Diskurse kennen, bevor man sie gegenseitig auf den Prüfstand stellt. Viele junge Leute kommen heute mit interdisziplinärem Arbeiten in Berührung, bevor sie in der eigenen Disziplin gearbeitet haben. Das Ergebnis ist oft ein Eklektizismus, der für die Disziplinen von wenig Nutzen ist. Er ist eher entropisch als grenzüberschreitend. Und was die Anmerkung angeht: Interdisziplinarität kann aus Gründen der Kostenersparnis institutionalisiert werden, d.h. mit dem Ziel, weniger Leute dazu zu bringen, mehr Arbeit zu leisten. Wollen wir es wirklich, dass Abteilungen für Literatur, Kunst, Kunstgeschichte, Architektur, Architekturgeschichte und Film von einem Monster mit dem Namen Media Studies aufgesogen werden? Ich möchte es nicht…
1_ London: BACKless Books, 1998, 155-168 (hier: 161f.).
2_ Hal Foster. The Return of the Real – The Avant-Garde at the End of the Century. Cambridge, Mass. & London: The MIT Press (October Book), 1996. Darin: The Artist as Ethnographer, 171-204.